Einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer fließen Einnahmen aus Tantiemeforderungen gegen seine Kapitalgesellschaft bereits bei Fälligkeit zu. Fällig wird der Tantiemeanspruch mit der Feststellung des Jahresabschlusses, sofern die Vertragsparteien keine andere Fälligkeit im Anstellungsvertrag vereinbart haben. Tantiemeforderungen, die in den festgestellten Jahresabschlüssen nicht ausgewiesen sind, fließen dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht zu, auch wenn eine entsprechende Verbindlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung in den (festgestellten) Jahresabschlüssen hätte gebildet werden müssen.

Praxis-Beispiel:
Der Kläger ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH. Nach dem Geschäftsführervertrag erhält der Kläger für seine Tätigkeit ein festes monatliches Bruttogehalt. Des Weiteren ist ihm eine Tantieme in Höhe von 20% des Jahresgewinns zugesagt, die einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung zu zahlen ist. Die Höhe der Tantieme ist auf maximal 30% der Festvergütung begrenzt. Die vereinbarten Tantiemen wurden dem Kläger in den Jahren 2015 bis 2017 weder ausgezahlt noch hatte die GmbH in den Jahresabschlüssen entsprechende Passivposten gebildet.

In seinen Einkommensteuererklärungen gab der Kläger Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit ohne Tantiemen an. Im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung ging das Finanzamt davon aus, dass auch die nicht ausgezahlten Tantiemen (jeweils in der vereinbarten Höhe von 20% des Gewinns des Vorjahres) vom Kläger als Arbeitslohn zu versteuern seien, und erhöhte die Einkommensteuerfestsetzungen entsprechend. Laut Auffassung des Finanzamts gelten die Tantiemen zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung als zugeflossen. Ob sie tatsächlich ausgezahlt worden sind, sei unerheblich, da es der Gesellschafter-Geschäftsführer selbst in der Hand habe, sich die Tantiemen auszahlen zu lassen.

Das Finanzgericht gab dem Kläger Recht, weil vereinbarte, aber nicht ausgezahlte Tantiemen auch einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht zufließen, wenn bei der Gesellschaft keine entsprechende Verbindlichkeit passiviert worden ist und sich die Tantiemen deshalb nicht mindernd auf das Einkommen der Gesellschaft ausgewirkt haben.

Die Feststellungen des Finanzgerichts reichen lt. BFH nicht aus, um entscheiden zu können, ob dem Kläger die Forderungen auf Tantiemeansprüche zugeflossen sind, weil er durch einen Verzicht auf seine Tantiemeansprüche eine verdeckte Einlage in die GmbH erbracht haben könnte. Das Finanzgericht versäumt festzustellen, warum die Tantiemen nicht ausgezahlt bzw. entsprechende Forderungen des Klägers nicht als Verbindlichkeiten passiviert worden sind. 

Tantiemen gehören zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Die Besteuerung setzt allerdings voraus, dass sie dem Arbeitnehmer als sonstiger Bezug zugeflossen sind. Der Zufluss tritt mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ein. Der BFH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern ein Zufluss von Einnahmen auch ohne Zahlung oder Gutschrift vorliegen kann. Danach fließt dem alleinigen oder beherrschenden Gesellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen seine Kapitalgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zu.

Die GmbH hatte die Tantiemeforderungen des Klägers in ihren Jahresabschlüssen nicht als Verbindlichkeit ausgewiesen. Da die Gesellschafterversammlung der GmbH die Jahresabschlüsse festgestellt hatte, waren die Tantiemeansprüche nicht fällig. Ob diese nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung hätten passiviert werden müssen, ist – entgegen der Auffassung des BMF – unerheblich, weil ein Pflichtenverstoß nicht die Fälligkeit einer Tantiemeforderung begründen kann. Daher ist ohne Bedeutung, ob es sich bei der fehlenden Passivierung um einen Buchungsfehler gehandelt hat, oder ob eine Bilanzierung aus anderen Gründen von vornherein nicht in Betracht kam, etwa weil die Tantiemezusage vor der Entstehung der vereinbarten Tantiemeansprüche einvernehmlich aufgehoben worden ist.

Die Feststellungen des Finanzgerichts reichen allerdings nicht aus, um abschließend entscheiden zu können, ob dem Kläger die Forderungswerte der Tantiemeansprüche zugeflossen sind. Das wäre der Fall, wenn er durch einen Verzicht auf seine Tantiemeansprüche eine verdeckte Einlage in die GmbH erbracht hätte.

Quelle:BFH | Urteil | VI R 20/22 | 04-06-2024